Ich bin seit 1998 als Arzt in der Psychiatrie und Psychotherapie tätig gewesen und habe ca. 15.000 Therapiesitzungen durchgeführt. In dieser Zeit sind mir viele unterschiedliche Menschen begegnet. Dabei wurde klar, dass auch hochintelligente Menschen in Führungspositionen, Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer von Unternehmen, Amtsleiter usw. auf emotionaler Ebene ähnliche Probleme haben wie Menschen mit anderen Funktionen.
Die Erklärung liegt für mich auf der Hand: Hohes analytisches Geschick, Intelligenz und präzises Logikverständnis versagen komplett, wenn Emotionen, persönliche Betroffenheit oder die (unbewusste) Dynamik innerhalb eines Teams, mit Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten zu atmosphärischen Störungen führen.
Viele Jahre wurden Spitzenleute verbrannt und ausgehöhlt, was zynischerweise in der Vergangenheit meinen Job als Psychiater gesichert hat, denn diese Menschen saßen bei mir und waren am Ende.
Inzwischen findet ein dezentes Umdenken statt, das meinem Verständnis von Führung deutlich näherkommt. Mitarbeiter, egal in welcher Hierarchiestufe, sind das Kapital eines Unternehmens. Aus meiner Sicht gibt es nichts effizienteres, als Menschen in einem Unternehmen auf eine gemeinsame Idee einzuschwören. Dann entwickeln sie das Gefühl von Zugehörigkeit, was für uns Menschen hohe Bedeutung besitzt. In Folge zeigen sie sich verantwortlich, denken eigenständig, sind produktiv und kreativ. Wer dies als Vorgesetzter erreicht, hat alles richtig gemacht!
Empathie ist hier das Schlüsselwort. Der Begriff bedeutet mitfühlen, nicht mitleiden. Jeder Mensch ist in seiner eigenen Welt unterwegs und erklärt diese für die Wahrheit. Wahrheit ist jedoch subjektiv und hängt von Tagesform, persönlicher Lebenssituation, Stresslevel und anderen externen Faktoren ab. Aber v.a. ist die Persönlichkeit eines Menschen entscheidend, wie er im Alltag funktioniert. Führungsqualitäten beispielsweise kann man begrenzt in Seminaren erwerben. Aber wer Führen nicht mag, wird sich schwer tun, dies authentisch auszuüben und sich in dieser Rolle nicht wohlfühlen. Also hoffnungslos?
Nein. Empathie bedeutet auch, ein Verständnis für sich selbst zu entwickeln und nennt sich dann Selbstempathie. Wenn Sie jemanden für seine Fehler oder Schwächen verurteilen, wird sich die Person nicht motiviert fühlen, es besser zu machen. Wenn Sie mit sich selbst so umgehen, ist es nicht anders. Wertschätzung und wohlwollende Akzeptanz anderen und sich selbst gegenüber sind unabdingbar. Authentizität und „Selbstverständlichkeit“ entwickeln sich aus Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, diesen Prozess unterstütze ich gerne. Wenn Sie mehr Selbstakzeptanz haben, führen Sie besser!
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